Jurastudium und Juristenklischees

Jurastudium und Juristenklischees

  • Alles andere

Ein Jurastudium ist nicht einfach. Im Gegenteil. Es ist ziemlich lang und ein hartes Stück Arbeit, zumindest, sobald es Richtung Examen geht. Im Examen kann so ziemlich alles drankommen, was man vorher irgendwann mal gelernt hat, insofern ist es enorm viel Stoff, den die angehenden Juristen in den Prüfungstagen in ihrem Kopf haben müssen.

Gewinner des Spiels mit der Angst sind die Repetitorien. Sie haben jedes Jahr auf’s Neue fürstliche Einkünfte durch den Großteil der Studenten, die sich vor dem gefürchteten Examen nochmal richtig durchschleifen lassen. Sie kennen das.

Klausuren, Klausuren, Klausuren

Doch wie lehrreich sind all diese vielen Klausuren wirklich, die man in der Vorbereitung schreibt? Und wie sinnvoll ist diese extreme Ausrichtung auf das Klausurenschreiben, das zwar 100% examensrelevant, aber 0% praxisrelevant ist? Kein Wunder, dass das Examen als psychisch fordernd und zuweilen recht intransparent beurteilt wird. Angst ist der große Motivator. Die Angst teilt sich größtenteils in die Angst jener, die befürchten durchzufallen, und jener, die befürchten kein (voll)befriedigend zu schaffen. Letzteres ist natürlich quasi “Befürchten auf hohem Niveau”, aber auch das gibt es.

Ein Mentor ist Gold wert

Es können sich diejenigen glücklich schätzen, die bereits während des Studiums (und bestenfalls noch darüber hinaus, jedenfalls bis zum Ende des Referendariats) einen Mentor an ihrer Seite haben. Ich weiß nicht, wie zielgerichtet Sie studiert haben, aber mein Studium war vieles, nur nicht zielgerichtet. Klar, man schrieb Klausuren und Hausarbeiten und absolvierte seine Scheine, doch wie viel Zeit hat man verschwendet! Beratungsbedarf bestand im Grunde bereits gleich am Anfang. Wie die Lemminge trabte man brav in jede einzelne Vorlesung, die der Stundenplan einem aufgab, und man kaufte jedes auch noch so überflüssige Buch, das einem nahegelegt wurde. Im Staatsrecht z.B. kaufte ich damals (Mitte der 90er) so ein ockergelbes Buch, fast so dick wie ein Telefonbuch. Ich weiß nicht mehr, von wem es war, aber es galt als absolutes MUST. Und ach, wie viel einfacher wäre das Lernen gewesen, hätte man sich direkt auf Schemata konzentriert. Vermutlich hätte man sich das Geld für den Repetitor jedenfalls sparen können.

Wenn man keinen Mentor hat, hangelt man sich dankbar, aber blind an den Vorgaben des Curriculums entlang, denn woher soll man in den ersten Semestern auch wissen, wie der Hase läuft und was überflüssig ist?

Money makes the world go round

Wenn man sich mal anschaut, wie sich die Studentenschaft unter angehenden Juristen so zusammensetzt, dann findet man eine ziemlich homogene Masse. Oft sind es Akademikerkinder und nicht selten ist bereits ein Elternteil Jurist. Arbeiter- bzw. Handwerkerkinder gibt es verhältnismäßig wenig. Das prägt. Studenten aus Akademikerhaushalten haben (buchstäblich) von Haus aus gleich mehrere Vorteile:

Bereits zu Schulzeiten waren die Gespräche am Abendbrottisch andere und auch die Studienfachwahl war vermutlich kein Zufall. Alles in allem kann man davon ausgehen, dass der “häusliche Einfluss samt Erfahrung” dafür sorgt, dass von Anfang an zielgerichteter vorgegangen wird.

Ein bedeutender Faktor ist auch schlicht das Geld. Wer als Jurastudent das Privileg hat, nicht neben dem Studium arbeiten zu müssen, hat deutlich mehr Zeit und Energie, sich dem Studium zu widmen, als jene, die sich erstmal einen Job suchen müssen, der ihren Lebensunterhalt sichert. Hinzu kommt auch, dass die “bessergestellten” Eltern ihren Sprösslingen auch oft mit Kontakten weiterhelfen, die ihnen ermöglichen, ein tolles Praktikum oder die begehrte Wahlstation zu machen.

Manch andere müssen während des Studiums und sogar auch während des Referendariats arbeiten. Sie haben damit einen deutlichen Nachteil gegenüber jenen, die sich einfach nur auf das Lernen und die jeweilige Station konzentrieren müssen. Und jene, die ihre aufregenden Auslandsstationen absolvieren, sind auch wieder recht privilegiert, denn das zahlt wohl keiner von ihnen aus eigener Tasche.

Klar, im Lebenslauf sehen spätere Chefs, dass der Bewerber neben Studium und/oder Referendariat noch gearbeitet hat. Bei einigen erzeugt das aber sogar Unverständnis oder Mitleid, denn dass der Job in einer Kanzlei war und damit für die Karriere förderlich, ist vermutlich auch eher selten der Fall.

 

Klischees

Wer in Hamburg Jura studiert hat, kennt das: Timberland-Boots aus braunem Leder, Ralph Lauren-Polohemd und hochgeklappter Kragen. Das sind sie, die lieben Jurastudenten.

Bis Ende der 90er Jahre gab es in Hamburg quasi zwei Lager von Juristen. Es gab de facto zwei juristische Fachbereiche, nämlich den Fachbereich 02 (“normale” Juraausbildung) und den Fachbereich 17 (sog. reformierte oder einstufige Juristenausbildung). Normalerweise ist die juristische Ausbildung ja zweigeteilt, also in Studium und Referendariat. Im Rahmen der reformierten Juristenausbildung gab es einige Jahre lang ein Modell, wo der Praxisteil quasi mit dem Studium verwoben wurde. Darüber hinaus gab es Vorlesungen, die den Blick über den Tellerrand fördern sollten. So waren z.B. manche Familienrechtler auch Soziologen.

Man sah es den Jurastudenten teilweise direkt an, welchem Lager sie angehörten. Zumindest, wenn man mit dem Rad an den beiden Gebäuden (naja, beim FB 17 waren es eher Baracken) vorbeifuhr, erkannte man klar, dass der klassischen Juristenausbildung auch die eher konservativen Studenten angehörten. Auf dem Rasen vor den Baracken hingegen tummelten sich eher sozialliberal angehauchte Genossen.

Das ist nun alles bereits Jahrzehnte her. Auf Dauer war es nicht tragbar, zwei Jura-Fachbereiche zu führen und das Experiment lief auch nicht zur vollen Zufriedenheit. Schließlich wurden die Fachbereiche dann Ende der 90er Jahre wieder vereint. Die Baracken sind längst durch moderne Neubauten ersetzt worden. Doch wieviel hat sich an der Ausbildung geändert?

 

Digitalisierung

Die Digitalisierung führt dazu, dass sich auch die Juristenausbildung grundlegend ändern muss. Böse Zungen behaupten, dass Juristen (auch jene in spe) der Digitalisierung wenig offen gegenüberstehen. Woher auch, denn es wird ja eine Art Tunnelblick wichtig, der sich – je fortgeschrittener das Semester ist, umso mehr – den Themen widmet, die für das Examen wichtig sind. Digitales muss daher examensrelevant und die Prüfungsordnungen entsprechend angepasst werden. Schwierig ist, dass die Justiz selbst noch recht verschlafen ist, was das Stichwort Digitalisierung angeht und auch die Behörden (Prüfungsamt!) sind von modernen Zeiten noch weit, weit entfernt. Doch wie sinnfrei ist es, z.B. im ersten Examen nicht einmal Kommentare zuzulassen, während der Praktiker doch locker Juris bemüht, um sich in kniffligen Fällen heranzutasten?

Neben der Vermittlung der reinen rechtlichen und prozessualen Materie sowie der Methodik wird darüber hinaus oft vergessen, dass es für die erfolgreiche Berufstätigkeit noch mehr bedarf. Schulung in Rhetorik, Kanzleimanagement oder Kanzleimarketing kommen noch immer viel zu kurz, wenn man bedenkt, dass ein Großteil der Absolventen Anwalt wird. Es ist viel zu teuer und wirklich nicht sehr zeitgemäß, wenn derartige Dinge on the job gelernt werden müssen. Letztlich wird der Anwalt dafür dann wieder keine Zeit haben und solche Dinge kostenpflichtig outsourcen müssen. Dabei könnte man sich z.B. so manche Staatsrecht-Vorlesung, die nicht den Hauch von Praxis- oder Examensrelevanz hat, sparen und dafür lieber ein paar Kurse im Onlinemarketing für Kanzleien anbieten. DAS hätte mal wirklich Praxisrelevanz.